Das Gutachten des Sachverständigen

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Rechtsgrundlagen, Fragestellungen, Gliederung, Rationalisierung

Das von Berndt Zuschlag verfasste Werk „Das Gutachten des Sachverständigen“ zählt, neben dem Praxishandbuch Sachverständigenrecht von Bayerlein, zu den wichtigen Standardwerken für die Arbeit des Sachverständigen.

Alle nur erdenklichen Regeln, Fragestellungen, Gliederungen und Rechtsgrundlagen, die in einem Zusammenhang mit der Erstellung eines Gutachtens stehen, sind in diesem Buch vom Autor zusammengetragen worden. Der Autor selbst ist praktizierender Sachverständiger im medizinisch-psychologischen Umfeld, deshalb kann durchaus behauptet werden, dass der Praxisbezug des Buches hervorragend ist.

Das Handbuch wendet sich an bereits praktizierende Sachverständige sowie Studenten im Studiengang Sachverständigenwesen und wird deshalb sogar wegen seines ausgezeichneten fachlichen Umfanges an einer führenden Hochschule als Studienunterlage verwendet. Dass der Inhalt des Buches, so die Beschreibung, sich auch insbesondere für den Einsteiger lohnt, trifft nicht oder nur teilweise zu. Durch die doch sehr komplexe Gutachten-Thematik und die damit verbundenen Konsequenzen, insbesondere die der Haftung, muss das “Handwerk” der Gutachtenerstellung und des Sachverständigen gelernt werden. Das Wissen darüber kann man sich deshalb nur bedingt autodidaktisch aneignen. Aus diesem Grund sind für die Lektüre des Buches zwingend Vorkenntnisse notwendig. Eine ZPO (Zivilprozessordnung), ein BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) sowie ein StGB (Strafgesetzbuch) und die StPO (Strafprozess-Ordnung mit Kommentar) sollten schon mit auf dem Schreibtisch liegen, um die Thematik gesamthaft nachvollziehen zu können und steht auch deshalb im Hochschulbereich als Lehrstoff erst in der Mitte des Studiums auf dem Lehrplan. Empfehlenswert ist das Buch trotz allem für den Studenten, der die an manchen Stellen unsachgemäß durchgeführten Kürzungen in den Studienunterlagen durch den vorliegenden Buchtext wieder in einen logischen Gesamtzusammenhang bringen kann.

Erfahrenen Gutachtern bietet das Buch viele Anregungen, wie sie ihr Gutachten noch rationeller und mit hoher Überzeugungskraft, logischer Gedankenführung und Widerspruchsfreiheit in der Argumentation gestalten können.

Allerdings sollte man nicht den Fehler machen, zu versuchen, alle Regeln des Buches gleichzeitig anzuwenden. Es wäre zwar gut gemeint, würde jedoch wohl den besten Gutachter unter einem „Berg voll Regeln“ zusammenbrechen lassen. Die Bedeutsamkeit des Buches liegt in dem Zusammenspiel einer nahezu vollständigen Ausführung über die Gutachten-Thematik und dem eigenen Erfahrungsschatz, den man als Sachverständiger im Laufe seiner Praxis erwirbt.

Die vorliegende zweite, überarbeitete und ergänzte Auflage enthält vor allem zwei neue Themenschwerpunkte, die für die Gutachten-Qualität wesentlich sind:

1. Die Anforderungen an Gutachten, die den unerfahrenen Gutachtern noch deutlicher die logische, nachvollziehbare und überprüfbare Gutachtenerstellung, sowie die Erwartungshaltungen des Auftraggebers näher bringen sollen.

2. Die Fragestellung des Auftraggebers und deren überragende Bedeutung einer präzisen Fragestellung sowie die sachgerechte analytische Strukturierung und Erarbeitung aus globalen Fragestellungen, um von der Fragestellung über die Untersuchung bis hin zu den zutreffenden und überzeugenden Antworten zu kommen. Der Autor schreibt hierzu: „In den Gutachten-Seminaren zeigt sich regelmäßig, dass Informations- und Reflexionsbedarf nicht nur bei Anfängern besteht, sondern auch bei Sachverständigen mit langjähriger Gutachtenerfahrung, weil sie nicht systematisch genug vorgehen gelernt zu haben und dadurch unnötige Angriffspunkte bieten“[1].

Trotz der Auflagenerweiterungen ist leider nichts über das Urheberrecht zu lesen, das Sachverständige an ihren Gutachten besitzen. Auch über die Folgen der Haftung, die aus Urheberrechtsverletzungen entstehen, schweigt sich der Autor aus. Die gemachten Beispiele bleiben eng mit der Thematik der Psychologie verbunden. Es bedarf einiger Phantasie, die Praxisbeispiele auf andere fachfremde Gebiete gedanklich zu transferieren.

Gleichwohl sind einige der Beispiele in der ersten Person geschrieben. Dieser Schreibstil schafft einen engeren Bezug zwischen Leser und Autor und macht das Buch gerade wegen des situationsbedingten, trockenen Lehrtextes umso lesenswerter, zwingt aber zu einem konzentriertem Lesen.

Bedingt durch die letzte Buchauflage im Jahr 2002 ist das Kapitel über die Abrechnung von Gerichtsgutachten noch auf der Basis des veralteten ZSEG (Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen) beschrieben, die Währungsbeträge sind in DM-Währung angegeben. Dieser Umstand ist jedoch nicht so tragisch, da das seit 01.07.2004 existierende Nachfolgegesetz JVEG (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz) im Internet frei zugänglich ist, z. B. auf der Internetseite http://www.gesetze-im-internet.de/jveg/index.html. Alternativ beschreibt ein Nachtrag zur 3. Auflage „Praxishandbuch Sachverständigenrecht“ inklusiv Kommentar das neue JVEG.

Auf rund 260 Seiten werden in 7 Kapiteln nicht nur für Psychologen, sondern auch für Sachverständige anderer Fachrichtungen praxisorientierte Informationen zu folgenden Themen umfassend abgehandelt: Grundlagen der Begutachtung, Erarbeitung der Fragestellung, Gutachten-Gliederung, Gestaltung des Gutachtens, häufig auftretende Fehler und Mängel, rationelle Abwicklung eines Gutachtenauftrages und Abrechnung des Gutachtens.

Dabei werden auch die Unterschiede zwischen Privat-, Parteien-, Gerichts- und Obergutachten erklärt, die rechtliche Stellung von Sachverständigen und Gutachter-Kompetenz beleuchtet und grundsätzliche Anforderungen an Gutachten und Qualitätskriterien aufgestellt. Im großen Kapitel der Gutachten-Gliederung wird die zweckmäßige Gutachtenerstellung rechtlich, formell und inhaltlich minutiös entwickelt, mit vielen Beispielen, Tabellen und Formularen unterfüttert und auf Untersuchungsmethoden, Beurteilungskriterien, der Vermeidung von Gutachtenmängeln und der Beantwortung der vom Auftraggeber gestellten Fragen eingegangen.

Auf weiteren über 40 Seiten finden sich in vier Kapiteln weiterführende Literatur, Anhänge, ein Sachregister und ein Glossar. Das Literaturverzeichnis bietet einen guten Überblick über Standardwerke des Sachverständigenwesen und ausgewählten Zeitschriften, bleibt aber mit den weiterführenden Auflistungen für Gutachten aus speziellen Fachbereichen überwiegend auf die Bereiche der Psychologie, des Familienrechts und des Sozial- und Arbeitsrechts beschränkt.

Der Anhang wird abgerundet durch eine Übersicht über die im Buch enthaltenen 91 Tabellen und Checklisten, die dazu beitragen, dass das Buch für den täglichen Praxiseinsatz des Sachverständigen einen hohen Nutzwert hat. Das Sachregister ist ausführlich, das Abkürzungsverzeichnis sehr hilfreich, nur die Begriffserklärungen am Ende des Buches bleiben wiederum auf die Psychologie beschränkt.

Der Autor Dipl.-psych., Dr. phil. Berndt Zuschlag ist seit 1980 freiberuflicher Geschäftsführer des Institutes für angewandte Psychologie, klinischer Psychologe (BDP), Verhaltenstherapeut (DGVT), approbierter psychologischer Psychotherapeut, Supervisor (BDP), Fachpsychologe für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie, zugelassen als verkehrspsychologischer Berater und Fachpsychologe für Verkehrspsychologie.

Stefan Braun, Sachverständiger (Diplom BWA) Medienproduktion & Mediendesign


[1] Zitat aus „Das Gutachten des Sachverständigen“, Seite 5

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