DSL-Wechsel, ein Horrormärchen, das wahr wurde
“Es war einmal ein DSL-Kunde, der die Inkompetenz seines DSL-Providers GMX nicht mehr ertrug, die Kündigung einreichte, um sich ein neues DSL zuzulegen und fortan nur noch mit einem Modem und 48 KBit/s Nettogeschwindigkeit seinen Onlinegeschäften nachging. Und wenn er nicht gestorben ist, dann ärgert er sich noch heute über eine Blockadestrategie aller betroffenen Provider, die mit Kundenservice rein gar nichts zu tun haben, sondern nur noch Lobbyismus, Konkurrenzabwehr und die Durchsetzung eigener Marktstellung mit allen möglichen Mitteln (auch die der Unlauteren?) praktizieren.”
Dass dies kein Märchen ist, sondern die blanke Wahrheit und wie Kunden, die den Provider wechseln wollen, gegängelt werden, zeigt folgender Fall. Was ist genau geschehen?
Ich schlage meinen nunmehr 4 cm dicken Ordner mit unsagbar schrecklichem Schriftverkehr auf und finde bereits in meinem ersten Bestätigungsschreiben der Firma GMX vom 27.11.2003 eine Information darüber, dass mein DSL-Anschluss von der T-COM zu GMX gezogen wurde. Das wollte ich doch eigentlich so gar nicht haben und in der GMX-Werbung schwieg man über diesen Umstand. Das Begrüßungsschreiben von GMX war keine fünf Minuten da, schon hatte sich in mir die erste innere Kündigung vollzogen.
Im Juni 2005 beschloss ich, meinen Volumentarif von 2 GB auf eine Flatrate innerhalb meines GMX-Accounts zu wechseln, wobei man mir mitteilte, dass dies nicht möglich sei und das von GMX gemachte Flatrateangebot sich nur auf Neukunden, nicht aber auf Bestandskunden beziehe. Ich teilte der Firma GMX deshalb postwendend mit, dass ich meinen DSL-Anschluss aus diesem Grund fristgerecht kündigen werde.
Hierauf meldete sich der GMX-Kundensupport telefonisch bei mir und teilte mir mit, dass der Wechsel doch möglich sei, nur nicht online über den GMX-Kundenaccount, “man würde dass nun aber telefonisch mit mir zu meiner Zufriedenheit erledigen”, “selbstverständlich können Sie auf die Flatrate wechseln”, so tönt es mir noch heute schallend in den Ohren.
Da mir als misstrauischem Menschen das ganze Prozedere nicht geheuer war (warum muss GMX für eine Tarifwechsel einen neuen Account einrichten?), habe ich vorsorglich den alten Account per Fax, per Brief und, sicher ist sicher, auch per e-Mail gekündigt. Noch am selben Tag bestätigte mir GMX den Eingang meines Kündigungsschreibens per email, teilte mir die Weiterleitung an den Vertragkundenservice mit und versprach mir, sich wieder bei mir zu melden.
Wie man sich aus der Vorgeschichte zusammenreimen kann, hat sich natürlich niemand mehr gemeldet. Es erreichte mich dann aber im Juli 2005 ein Anschuldigungsschreiben, ich würde mich über meinen GMX-Anschluss mehrfach einwählen und dadurch mehrere DSL-Verbindungen gleichzeitig nutzen. Man drohte mir an, die angeblich geführten Mehrfach-Verbindungen mit zusätzlichen Strafgeldern zu berechnen. Von Mehrfacheinwahl hatte ich bis dato nie etwas gehört und wusste auch gar nicht, wie ich das mit einem Computer, einer Telefonleitung und nur einem aktiven Account hätte machen sollen.
Am 21.07.2005 lagen nun endlich alle Vertragsunterlagen für die neue Flatrate auf dem Tisch und alles schien seinen geregelten Weg zu nehmen. Mit der Rechnungsstellung Ende September 2005 bemerkte ich dann aber, dass mir GMX neben der Flatrate auch gnadenlos immer noch den Volumentarif berechnete. Laut dem “heiligen” Versprechen des GMX Produktkundenservice lief die ganze Aktion als Tarifwechsel und nicht als Neubeauftragung. Nichtsdestotrotz hatte ich doch genau aus diesem Grund noch vorsorglich den Account fristgerecht gekündigt und rätselte nun sehr darüber, wie ich denn mit zwei Accounts über nur eine DSL-Leitung gehen sollte.
Ein weiterer Briefkrieg startete, wobei GMX, trotz ihrer schriftlichen Bestätigung schamlos behauptete, keine Kündigung von mir erhalten zu haben. Meine Abmahnungen, mir das zuviel eingezogene Geld für den bereits gekündigten Volumentarif zurückzuzahlen verpufften erfolglos. Mir blieb nichts anderes übrig, als meine Lastschrifteinzüge von deren Konto zurückzuholen. Vielleicht hätte ich lieber auf die ungerechtfertigten zweimal 3,99 Euro verzichten sollen (darauf baut dieser Provider seine Strategie auf), denn was nun folgte, glaubt man nur, wenn man es selbst erlebt hat: Bis Weihnachten folgten drei Inkassomahnungen, bis Mitte April 2006 erreichten mich sechs (!) weitere Anwaltsmahnungen, die ich vom Wortlaut her eher als Drohung auffassen musste.
Die Idee, sich an den Verbraucherschutz zu wenden, war keine gute, denn erst nach wochenlangem Anmahnen einer kompetenten und hilfreichen Antwort bekam ich nur ein belangloses allgemeines blabla zurück. Auch der Verbraucherschutz scheint sich offensichtlich eher nur der attraktiven und imageträchtigen Fälle zu bedienen.
Das war zuviel des Guten und ich sprach die ultimative Kündigung aller e-Mail-Accounts, der DSL-Leitung und den VoIP-Verbindungen an GMX aus. Um sicher zu gehen, dass ich diesmal richtig und rechtzeitig handeln würde, kämpfte ich mich drei Monate vor Vertragsende in etwa 20 Schriftwechseln an die verantwortliche Abteilung heran, um mir bestätigen zu lassen, dass mit Vertragsende am 21.07.2006 auch sichergestellt ist, dass an diesem Tag nicht nur der Vertrag beendet ist, sondern auch die so genannten “Ports” freigegeben werden, damit ein neuer DSL-Anbieter den Neuanschluss darüber einrichten kann. Hierauf bestätigte man mir diesen Umstand schriftlich.
Was ich leider bis dahin nicht wusste, es kann mir als Kunde eigentlich auch egal sein, denn hierfür ist der alte Provider verantwortlich, ist eine so genannte “Re-Seller-Vereinbarung”, die die T-COM mit ihren DSL-Re-Sellern getroffen hat. Aufgrund meiner Rücksprache mit der T-COM erfuhr ich von einer existierenden AGB, die die T-COM mit ihren Re-Sellern geschlossen hat und sinngemäß besagt, dass gekündigte DSL-Anschlüsse auf einen 6-tägigen “Wartefriedhof” gelegt werden. Anders ausgedrückt, die Re-Seller haben eine Kündigungsfrist Ihrer Verträge von sechs Tagen bei der T-COM.
GMX als alter Provider hat mich zwar am letzten Vertragstag darüber schriftlich unterrichtet, dass die DSL-Leitung gekündigt und frei wäre, mir allerdings verschwiegen, dass sie es (absichtlich?) versäumt hat, diesen besagten Anschluss sechs Tage vor dem eigentlichen Vertragsende auch bei der T-COM zu kündigen. Hieraus entsteht mir ein Schaden, doch wer weiß, wie man Schäden vor Gericht nachweisen muss, gibt schnell wieder auf. Das wissen auch die Provider, die diesen Umstand gnadenlos ausnutzen.
Wer als Kunde bereits mit der T-COM zu tun hatte, kennt das Schneckentempo, in dem dort Aufträge abgearbeitet werden. Es ist sehr mühsam, sich über die allgemeine Servicehotline an das Backoffice und die zuständigen Teams vor Ort bis hin zum zuständigen Carrier Management vorzukämpfen. Und immer hört man den gleichen Satz, so oder so ähnlich: “Hierfür bin ich nicht zuständig und die verantwortliche Person ist leider nicht erreichbar”. Alle gemachten Auskünfte der T-COM waren, wie schon vorher zu erwarten war, völlig unbefriedigend und mindestens genauso vage und nutzlos, wie die des alten Providers GMX. Trotz der mir erstrittenen schriftlichen Kündigungsbestätigung seitens GMX, die besagt, dass alle Verträge zwischen den Vertragsparteien beendet sind und einer schriftlichen Versicherung meinerseits an die T-COM, dass die Ports freigegeben werden dürfen, war diese in nichts zu bewegen, von ihrem unverständlichen Wartetermin mit Frist von sechs Werktagen abzurücken. Sie könnte es zwar tun, will es aber nicht. Der eine Riese schiebt es dem anderen zu und umgekehrt. Wer glaubt, dass die Geschichte an dieser Stelle endet, hat sich gehörig getäuscht. Ein freudiger Anruf bei dem neuen Provider 1&1 (“eigentlich kann ja nur noch alles gut werden”, dachte ich, “dort hast Du ja schon Dein Hosting und den Shop”) brachte mich sehr schnell in die reale Welt des Wartens zurück. Ich erhielt lediglich die Auskunft, dass mein neuer DSL-Anschluss zwar beauftragt wäre, allerdings warte man jetzt auf eine erneute Freigabe und die Schaltung der Leitung durch die T-COM. Wann das aber sein wird, weiß niemand so recht. Die T-COM behält sich hierfür mehrere Arbeitstage vor. Als Neukunde wird man bei 1&1 lediglich auf die kostenpflichtige Störungsstelle verwiesen. Diese lässt sich ihren “Dienst” bei Eros Ramazotti und anderen Popklängen in der Warteschleife durch einen satten Minutenpreis von 1 (einem) Euro vergolden und veredeln.
Für mich als DSL-Nutzer heißt dies nun, mindestens noch mindestens weitere 15 Tage auf dem Trockenen zu sitzen und im analogen Reich der langsamen Freude bei 48 KBit/s zu surfen. Wer einmal 2 oder vielleicht sogar schon 6 oder 16 GBit/s und mehr an Geschwindigkeit gewöhnt war, weiß wie schmerzlich es ist, auf Analogtempo zurückzufallen. Viel schlimmer wirkt sich aber der Umstand aus, dass es mit dem Geld verdienen schlagartig vorbei ist, wenn man sein Geschäftsmodell über eine Anbindung “nach draußen” aufgebaut hat. Alternativ bleibt der zweite Anschluss, dessen Kosten man in aufwändigen Gerichtsverfahren in den nächsten ca. drei bis vier Jahren weiter einklagen kann.
Zu wünschen wäre mir als Kunde eine Marktsituation, in der die Arroganz der großen Provider und deren Übermacht durch weitere Markt-Deregulierungen hin zu noch mehr Liberalität auf dem umkämpften DSL-Markt, gebrochen werden. In USA ist das, was hier auf dem deutschen Markt stattfindet, völlig unbekannt und unverständlich. Hier bekommt ein Kunde innerhalb weniger Stunden Zugang zu allem, was gewünscht wird. Wäre es nicht schön, wenn der Kunde einfach bestimmt, zu welchem Unternehmen er gehen und seine Entscheidung davon abhängig machen kann, wer am schnellsten den Anschluss liefern wird? Dann werden sich auch Preise und Angebote nach Liefergeschwindigkeit und Qualität regulieren und das alles zum Nutzen des Kunden.
Hierbei können dann die T-Riesen Ihre DSL-Ports bis zum St.-Nimmerleinstag in AGB-Regelungen “besetzen” oder dem Kunden vorenthalten und Billigdiscounter und Spamverschicker wie GMX würden ihre Kunden wieder in Scharen verlieren. Am Schluss resultiert eine Kundenzufriedenheit immer noch in der Zuverlässigkeit und Qualität einer Dienstleistung. “Dienstleistungs-Spam” ist out, “Kundenbeziehung” ist in.
Würde die T-COM zu einem Übernahmekandidaten werden, was wäre so schlimm daran? Deutsche Unternehmen kaufen ja auch Firmen im Ausland. Die Gewinnwarnung der T-COM durch Herrn Riecke bekommt für mich eine ganz neue Bedeutung. Ich frage mich eigentlich nur, warum die T-COM sich noch fragt, warum ihr im letzten halben Jahr über eine halbe Million Kunden weggelaufen sind? Und mit dem Service kann es durch eine Übernahme eigentlich nur besser werden! Nirgends ist der Kundenservice so schlecht wie im deutschen Dienstleistungsbereich. Die T-COM wird es meiner Meinung nach sowieso nicht aus eigener Kraft schaffen. Sie ist und bleibt ein spießiger “Fernmelder” mit Behördencharakter.
Seit ich wieder “analog” bin, habe ich keine Probleme mehr. Ich logge mich ein und keiner fragt mehr oder schickt böse Briefe. Die Leitung ist zwar unerträglich langsam, aber mit den Deutschen kann man es ja machen, die gewöhnen sich bekanntlich an alles. Und solange niemand aufbegehrt, wird dies sicher auch endlos so weitergehen. Apropos deutsche Gewohnheiten: Frau Merkels “Podcast-Videos” per Analogleitung werde ich wohl nicht mehr empfangen können. Ob das wohl ein großer Verlust ist?
Dipl.-Ing. Stefan Braun, Frankfurt am Main